Traditionelle Wurzeln
Der Beginn des 20. Jahrhunderts, stand in Japan noch ganz unter dem Eindruck eines umfassenden Modernisierungsprozesses, welcher ein bis dahin weitestgehend isoliertes und traditionell orientiertes Kaiserreich, innerhalb weniger Jahrzehnte mitten hinein in tiefgreifenden Veränderungen der industriellen Revolution katapultierte.
Auf dem Boden der daraus resultierenden kulturellen und spirituellen Zerrissenheit eines ganzen Volkes, wandelten sich die Kampfkünste - einstmals stolze "Wege des Kriegers" der Samurai - in spirituelle Wege. Das Aikidô ("Weg zur Harmonie der Kräfte"), das Judô ("Sanfter Weg"), das moderne Shôtôkan-Karate ("Haus des Pinienrauschens") und auch das Rei-hô ("Spirituelle Methode") sind - neben einer Vielzahl anderer Techniken - in dieser Zeit entstanden.
Durch den so empfundenen, nahezu vollständigen Verlust seiner kulturellen und spirituellen Identität, hungerte das Volk nach traditionellen Werten. Die Begründer dieser "Wege", waren oftmals Sprößlinge jener Samurai-Familien, denen ebenfalls ihre kulturelle und spirituelle Identität abhanden gekommen war. Als teils hohe Beamte im neu erschaffenen Staatsapparat, hatten sie zwar immer noch sehr viel Einfluss, jedoch bedeutete die Abschaffung des Feudalsystems und damit auch die Abschaffung des Krieger-Adels, dass der einstmals vorgezeichnete Lebensweg eines solchen jungen Mannes nun dem Lauf der Geschichte zum Opfer gefallen war.
So wurden sie also zu Weg-Lehrern jener Künste, die - außer der Kampftechnik - auch noch eine innere Lehre, einen "dô" , also einen "Weg" enthielten. Ziel war nun nicht mehr nur die Ausbildung von Taktik und Technik, sondern auch die geistige Ausbildung der Praktizierenden - sie sollten Charakterfestikeit, Entschlossenheit und moralische Stärke entwickeln.
Darüber hinaus war dies auch die Zeit für neue, spirituelle Weg-Lehren und sogar neue Religionen, die den traditonellen Wurzeln des japanischen Buddhismus sowie der japanischen Ur-Religion - dem Shintôismus - entsprangen. Eine dieser spirituellen Weg-Lehren, die in den Jahren 1915 bis 1926 entstanden ist, ist die Rei-hô Methode. Sie sollte - konfessionsübergreifend - für alle Menschen ein "Wegweiser zur Erleuchtung" sein.
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Rei-hô - die "Spirituelle Methode"
Die Praxis des Rei-hô funktionierte nach dem Dôjô-Prinzip, welches wir auch von den Kampfkünsten kennen. Die Schüler kamen in das Ausbildungszentrum um gemeinsam mit ihrem Lehrer zu praktizieren.
Die Unterweisungen hatten folgende Inhalte:
Kokyo-Hô (Übungen zur Selbstreinigung und Selbstentwicklung)
Die Schüler praktizierten regelmäßig im Dôjô ihre Übungen zur Selbstreinigung und Selbstentwicklung – Kokyo-hô. Diese sollten das Energieniveau erhöhen und zu einer Zentrierung und Fokussierung des Schülers führen. Dazu gehörten unter anderem verschiedene Katas aus dem Chi Gong, Atemmeditation, Gasshô-Meditation u.a.
Gainen (Die Fünf Grundsätze)
Sie übten sich in der Rezitation und täglichen Umsetzung der „Fünf Grundsätze“ (=Gainen). Diese dienten der Geistesschulung und der täglichen Ausrichtung auf heilsame Gedanken, heilsame Sprache und heilsames Verhalten.
Reiju (Spirituelles Geschenk, Empfang des Geistes)
Am Ende eines jeden Trainings – während einer Meditationsübung – empfingen sie Reiju, ein spirituelles Geschenk von ihrem Lehrer. Reiju bedeutet wörtlich: "Den Geist empfangen" oder ein "Spirituelles Geschenk empfangen". Reiju ist eine Tendai-Technik zur Vermittlung von Wissen, die auch übersetzt wird als "die fünf Segnungen" oder "die fünf Kräfte. Die fünf Kräfte sind zu verstehen als die fünf Qualitäten, auf denen die buddhistische Weglehre aufgebaut ist: Vertrauen, Begeisterung, Achtsamkeit, Meditation, Weisheit. Durch die Fünf Segnungen sollte der Schüler dabei unterstützt werden, diese grundsätzlichen Qualitäten zu entwickeln. Im Tendai-Buddhismus gibt es zwei Arten dieser Segnung: eine innere Form und eine äußere Form. Die innere Form stellt lediglich die Präsenz des Lehrers dar, der bereits den Weg gegangen ist. Allein seine Intention, dem Schüler sein Wissen und seine Erfahrung zur Verfügung zu stellen, ist ausreichend um das Lernpotential des Schülers zu aktivieren. Die äußere Form der Segnung ist für die Lehrer vorgesehen, die noch nicht allein über die Präsenz arbeiten. Sie ist ein kleines Ritual aus bestimmten Bewegungen und Berührungen.
Jumon (Formeln) und Kotodama-Meditation (Intonieren der Formeln)
Nach und nach wurde auch die Kotodama-Meditation in die Übungsabfolgen integriert. Hierbei handelt es sich um eine sehr alte Shintôpraxis, die ihren Ursprung im Schamanismus hat. Die Formeln (Jumon), mit denen sie die Kotodama-Meditation durchführten, waren heilkräftige Silben - Vorläufer der Mantren. Durch ein spezielles Intonieren, wurde den Silben innewohnende magische Kraft freigesetzt und eine Veränderung des Bewusstseinszustandes erzeugt. Dies sollte dem Erreichen der „Vier Seinszustände“ dienen, Verbindungen zu Meta-Ebenen des Bewusstseins.