Visionen. Unerhörtes fühlen. Erträumtes wird wach. Über alle Grenzen lebendig. Tanz (Flaring Firewoman)

Selbsterfahrung: Corona Challenge 01/2021
Corona-Challenge: Geistkinder

Was tun, wenn die Pandemielage an sich schon eine einzige Selbsterfahrung ist, sie aber keinen gemeinsamen Erfahrungsaustausch mehr ermöglicht?

Im Frühjahr 2020, als die erste Infektionswelle rollte, beschloss die Frauengruppe, die Kontaktbeschränkungen als Herausforderung zu einem persönlichen Prozess anzunehmen – die Corona-Challenge wurde ausgerufen. Anstatt wie sonst üblich, ein Thema von allen Seiten gemeinsam therapeutisch und kreativ zu durchleuchten und in der Gruppe darüber zu reflektieren, machte sich nun jede Frau auf den Weg, um ganz für sich alleine und an ihrem Ort einen Selbsterfahrungstag zu gestalten.

Die Grundlage hierfür bildete der Zyklus „Frauenpfade“ und das so genannte „Traumkind“, welches ursprünglich als Workshop geplant war. Über die Themen der „Frauenpfade“, kann man hier mehr erfahren.

 
"Geburt" und "Kind" als Synonyme für kreativen Ausdruck und Entwicklung

Im letzten Frühjahr war es das „Traumkind“ mit dem alles begann, im Januar 2021 folgte nun das „Körperkind“. Diese imaginären und rein symbolisch gemeinten Kinder, auch „Geistkinder“ genannt, stellen all jene Projekte, Schöpfungen, Erfahrungen, Entwicklungen und Verwirklichungen dar, zu denen sich Frauen (und auch Männer!)  in ihrem Leben berufen fühlen. Es geht also um die „Geburt“ von „geistigen Kindern“: etwas kreieren, etwas erschaffen, etwas verwirklichen, etwas auf den Weg bringen, einen Entwicklungsschritt machen und so weiter. Das Traumkind beschäftigte sich mit der Frage: „Gibt es eine Bestimmung im Leben?“  Das Körperkind wird assoziiert mit unserer Entscheidung „körperlich“ zu werden, uns also handelnd auf das Leben einzulassen und diesem eine selbstgewählte Richtung zu geben.

Meditatives Forschen

Zu dem jeweiligen Thema gab es zunächst einmal eine Meditation. Beim Traumkind flogen wir in einer Phantasiereise mit der Eule, als „Bringerin der Träume“, durch die weiten Landschaften unserer Seele und hielten Ausschau nach Orten, die uns noch unbekannt erschienen. Diese galt es nun in der Meditation näher zu erforschen – die Bilder, Gedanken und Erkenntnisse, die wir mit zurückbrachten, dienten als Inspiration für den nächsten Schritt. Das Körperkind begann mit einer Focusing-Körpermeditation und anschließend machten wir uns auf eine Visionssuche in den Straßen, Wäldern, Wiesen und Feldern unseres Wohnortes: ein Baum am Wegesrand, das Rotkehlchen auf der Mauer, die Rotte Wildschweine im Wald….all diese Begegnungen berührten uns auf unterschiedlichen Ebenen und gewährten Zugang zu inneren Bildern – neuen und alten, angenehmen und unangenehmen, bewussten und unbewussten.

Die Natur als Raum für Kunst

Sinn und Zweck von kreativer Selbsterfahrung ist es unter anderem, Ausdrucksformen für innere Themen zu finden, mit denen wir schwanger gehen, die uns beschäftigen, mit denen wir mehr oder auch weniger zurechtkommen, die uns auf der Seele liegen und für die uns oftmals die Worte fehlen. Auch ist die „Formgebung“ eine gute Möglichkeit, unaussprechlich Abstraktes greifbar zu machen und damit in einen Entwicklungsprozess einzutreten. Der nächste Schritt war es also, dem „Geistkind“ einen Körper zu geben. Dies geschah im letzten wie auch in diesem Jahr durch die Verwirklichung eines Land-Art-Projektes.

Die Kunstform der „Land-Art“ entstand in den 60er Jahren in Amerika. Zunächst wurde sie als „Earth Works“ bezeichnet und später dann in „Land-Art“ umbenannt. Sie wandelt einen bestehenden geographischen Raum in ein Kunstwerk um. Bedeutet: Orte und Landschaften in der Natur werden zum Raum für Kunst. Dabei werden entweder ausschließlich die dort vorgefundenen Naturmaterialien verwendet oder aber auch ortsfremde bzw. nicht natürliche Materialien benutzt.

Die Land-Art ist eine unglaublich vielfältige, inspirierende und berührende Ausdrucksform, an der sich schon viele bekannte und auch unbekannte Künstler versucht haben.

Das persönliche Land-Art Projekt wurde dann von jeder Frau aus jedem möglichen und unmöglichen Blickwinkel fotografiert, bevor es zum nächsten Schritt der Challenge ging: das „Geistkind“ bekam nämlich auch noch eine Geschichte!

Poesie und Prosa als therapeutische Mittel

Bei der Poesie- und Bibliotherapie werden eigene Texte zu persönlichen Themen gestaltet, um Heilungsprozesse zu unterstützen. Bei der Challenge ging es daher nicht um einen „Pathologiebericht“, sondern um eine Geschichte aus dem Inneren, in die die persönlichen Erlebnisse und Erkenntnisse mit einfließen sollten. Sie konnte – ja musste(!) - symbolisch, phantasievoll, abstrakt und auch fabelhaft sein. Worte können stärken aber auch schwächen, heilen aber auch verletzen, berühren aber auch trennen – sie haben eine große Kraft, ob in Form von Gedichten, Liedern oder Geschichten:

"Der Wurzelvogel stand einen kleinen Moment unbeweglich im silberhellen Licht.

Dann drehte und wendete er sich, bewegte vorsichtig seine Flügel. Seine starken Beine hielten spielend stand. Der Windhauch fuhr durch die Blätter und Zweige des Ilex und applaudierte, als der Wurzelvogel seine Flügel ausbreitete und noch einmal auf den steilen Weg und den Ilex mit seinen Feueraugen zurückblickte.

Dann hob er ab, bereit seiner Bestimmung mit vereinten Kräften zu folgen, und sang sein einzigartiges Lied in die Welt".

(Keeper of the Magic Mirror)

 

Das Kind braucht einen Namen!

Na klar!! Einen möglichst klangvollen Namen galt es auch noch zu vergeben. So erreichten mich im letzten wie auch in diesem Jahr per eMail unter anderem die Geistkinder „Herzschlag“, „Lebenswert“, „La Magie de mon Âme“, „Unendlichkeit“, „Traumaugen“ und „Humulu Camula“ – mitsamt ihren Geschichten, Gedichten und unzähligen Fotografien. Aus diesen entstanden dann die eigentlichen „Sprösslinge“: gedruckte und gebundene Gemeinschaftswerke, die sich im Anschluss dann wieder per Postboten auf den Weg zu ihren Müttern machten.

Diese Gemeinschaftswerke sind ein bleibender und ganz besonderer Ausdruck von Verbundenheit – mögen die Zeiten auch noch so anspruchsvoll sein – wir haben uns dieser Herausforderung auf eine kreative Art und Weise gestellt: jede Frau an ihrem Ort, ganz bei sich, mit ihrer ganz individuellen Qualität und Spiritualität – immer mit dem Wissen, dennoch Teil eines Kollektivs zu sein.  

Eines steht jedenfalls fest – ob mit oder ohne Corona – die Challenges werden fortgeführt! Schon im nächsten Jahr erwarten wir das nächste „Geistkind“ und mit ihm die Geburt unserer „Einzigartigkeit und Talente“.

Die Rechte an allen hier veröffentlichten Bildern und Textausschnitten sind ausschließlich den jeweiligen Teilnehmerinnen vorbehalten. Ihre Nutzung und Verbreitung durch Dritte, ist nicht gestattet.